Der Fisch und der Kolk am Berliner Rathaus


Eine Sage aus Berlin

Die Sage "Der Fisch und der Kolk" spielt in der Zeit, als es das Rote Rathaus in Berlin noch nicht gab. Ab dem 13. Jahrhundert stand fast an der gleichen Stelle das Alte Rathaus, das bis zu seinem Abriss im Jahr 1865 immer wieder umgebaut und vergrößert wurde.

Die Sage

Am Rathaus in der Spandauer Straße war vordem ein eiserner Fisch angebracht, der nach der Sage anzeigen sollte, wie hoch einst da das Wasser gestanden. Allein dies ist unrichtig, jener eiserne Fisch gab nämlich früher den Fischern die Größe an, unter welcher sie keine Fische mit dem Garn fangen und zur Stadt bringen durften.

Ein ähnliches Bild, dessen Erklärung nicht ganz sicher ist, ist der sogenannte Kolk, ein aus Sandstein geformtes Spottbild in Vogelgestalt, mit menschlichem Antlitz und langen Tierohren, das sich an einem der niedrigen Strebepfeiler des Rathauses befindet und eine Allegorie des Prangers sein sollte, insofern früher gerade drüber das Halseisen angebracht war.
*Die ursprüngliche Schreibweise und Rechtschreibung wurden beibehalten.

Die Gerichtslaube vom Alten Rathaus

Gerichtslaube

Die Gerichtslaube im Park Babelsberg

Der eiserne Fisch und der Kolk waren vermutlich in beziehungsweise an der Gerichtslaube angebracht, die ursprünglich Teil des Altes Rathauses war. Die Gerichtslaube ist ein mittelalterlicher Bau, der um 1270 aus roten Backsteinen errichtet wurde. Während das Rathaus als Rats- und Verwaltungszentrum diente, wurden in der Gerichtslaube Verhandlungen abgehalten und Urteile gesprochen. Bis zum Jahr 1694 sollen hier sogar Todesstrafen verhängt worden sein.

Nach dem Abriss des Alten Rathauses wurde die Gerichtslaube in den Park Babelsberg (Potsdam) versetzt, wo sie auch heute noch steht. Ein Nachbau der Gerichtslaube ist außerdem im Nikolaiviertel zu finden, also nicht weit entfernt vom ursprünglichen Standort. Fundamentreste der Gerichtslaube wurden während Bauarbeiten zur Verlängerung der U-Bahn-Linie U5 gefunden.

Der Pranger

Mittelsäulenfries

Fries an der Mittelsäule der Gerichtslaube

Bei dem in der Sage erwähnten Kolk handelt es sich wohl um den Kaak, der den Pranger am Rathaus symbolisierte und der als Nachbildung an der Gerichtslaube im Nikolaiviertel noch immer zu sehen ist. In der Gerichtslaube im Park Babelsberg wird eine ähnliche Figur auf einem Fries an der Mittelsäule dargestellt.

Kaak - Spottfigur an der Gerichtslaube

Kaak an der nachgebauten Gerichtslaube

Über den Kaak schrieb Willibald Alexis in "Der Roland von Berlin":

"Er aber blieb vor dem alten Rathaus stehen, was Diebe nicht zu thun pflegen. Denn sie scheuen das Haus, wo in alten Zeiten Gericht gehalten wurde, ehe sie das neue Rathaus auf der langen Brücke bauten, und noch hing damals, und es hängt bis auf den heutigen Tag, das Halseisen am Pfeiler nach der Spandower Gasse zu, und die Herren ließen hier manchen Mann am Kaak stehen und auspeitschen."

In Pierer's Universallexikon aus dem Jahr 1857 wird der Kaak als mittelalterliches Wort für den Pranger bezeichnet. Der Pranger war im Mittelalter ein Ort, an dem Verurteilte öffentlich zur Schau gestellt wurden und auf diese Weise für ihre Taten büßen mussten. Bei einem Pranger konnte es sich um einen Pfahl handeln, den sogenannten Schandpfahl. Aber auch Käfige oder oder mit Ketten an einem Gebäude befestigte Halseisen dienten als Pranger . Am Alten Rathaus in Berlin war der Pranger wohl ein Halseisen.

Gerichtslaube im Nikolaiviertel

Die nachgebaute Gerichtslaube im Berliner Nikolaiviertel

Lies hier noch mehr Sagen aus Brandenburg

Quellen

* Der Roland von Berlin, Erster Band, 15. Kapitel, Willibald Alexis, auf Projekt-Gutenberg.de
* Pierer's Universallexikon der Vergangenheit und Gegenwart, Erster Band, Verlagsbuchhandlung von H. A. Pierer, Altenburg 1857, auf Zeno.org
* Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Johann Georg Theodor Grässe, Glogau 1868/71, auf Zeno.org



Schick mir bei Fragen eine E-Mail oder erhalte aktuelle Informationen auf Mastodon oder über den RSS Feed!

Symbol für E-Mail
RSS-Logo