Die Erschlagung des Abts Sebald von Lehnin


Eine Sage aus Lehnin

Der erste Abt, welcher nach der Stiftung des Klosters zu Lehnin wohnte, hieß Sebald, und war eifrig bemüht, unter den noch sehr heidnisch gesinnten Wenden das Evangelium auszubreiten, aber nicht überall fand er williges Gehör, und an vielen Orten lief alles davon, sobald er sich nahte. Daher suchte er denn zuerst bei den Weibern sich Anhang zu verschaffen und sich ihre Gunst durch mancherlei kleine Geschenke zu gewinnen, erregte aber dadurch zugleich die Eifersucht der Männer, welche nun ihren Weibern und Kindern den Umgang mit dem Abt oder seinen Mönchen aufs strengste verboten.

Eines Tages war der Abt nach dem Dorfe Pritzsche oder Prutzke gegangen, und Willens, auf dem Rückwege in dem eine halbe Meile von Lehnin gelegenen Dorfe Nahmitz einzukehren, um dort auszuruhen. Als er in die Nähe des Dorfes kam, und in dem jetzt vom Kossäten Müller bewohnten Hause einkehren wollte, wurden ihn die Kinder, die vor der Hausthür spielten, gewahr, und liefen mit dem Geschrei »der Abt kömmt« theils ins Haus, theils in das Dorf, um Jedermann von der Ankunft der Mönche in Kenntniß zu setzen. Als die Weiber das Geschrei der Kinder hörten, versteckten sie sich alle, wo sie nur irgend einen Schlupfwinkel fanden.

Die Frau aber, welche in dem Hause, wo der Abt einkehrte, mit Brotbacken beschäftigt war, und nicht mehr entfliehen konnte, kroch in aller Eile unter den Backtrog. Als der Abt nun ins Haus trat, fand er niemand und setzte sich, um auszuruhen, gerade auf diesen Backtrog; wie das die Kinder sahen, liefen sie eilig davon und meldeten dem Vater, der in der Nähe des Dorfes mit dem Fischfang beschäftigt war, daß der Abt auf der Mutter sitze. Dieser lief sogleich mit noch anderen, die sich mit Heugabeln, Aexten und Rudern bewaffneten, nach dem Dorfe, und als der Abt diese heranziehen sah, ergriff er sogleich die Flucht.

Nun war er aber wohlbeleibt und das Laufen fiel ihm schwer, so daß er, als er seine Verfolger ihm nacheilen hörte, auf eine Eiche kletterte, um sich da zu verstecken. Aber hierbei verlor er ein großes Bund Schlüssel, das er bei sich trug, wodurch seine Verfolger seinen Zufluchtsort entdeckten. Unterdeß waren seine Begleiter nach Lehnin geflohen und mit einer größeren Anzahl der Klosterbewohner zurückgekehrt, welche den Wenden ein reiches Lösegeld boten, wenn sie den Abt am Leben lassen würden. Aber diese wollten nichts von Gnade hören, sondern hieben, als der Abt gutwillig seinen Zufluchtsort nicht verlassen wollte, den Baum um, und erschlugen nun den Abt trotz der Bitten der Mönche.

Lange Jahre hat der Stamm dieser Eiche noch bei Nahmitz gelegen, bis er endlich von einem Müller entwendet worden ist. Auf dem Hause aber, in welchem der Abt zu Nahmitz einkehrte, soll, wie die Leute behaupten, bis heute noch Unsegen ruhen, denn seine Bewohner kommen in der Wirthschaft zurück, oder es zeigt sich wohl gar Wahnsinn bei ihnen, sobald sie längere Zeit dort wohnen.

Nach der unter den Bewohnern von Nahmitz fortlebenden Sage ist der Abt Sebald keineswegs ein so um die Verbreitung des Evangeliums bemühter Mann gewesen, wie die obige Darstellung angiebt, sondern er hat sich hauptsächlich darum mit den Weibern der Wenden abgegeben, um seinen Lüsten zu fröhnen. Daher hat auch das Dorf Nahmitz so schöne Glocken in seinem Thurm, deren Klang so stark ist, daß man sie bis nach dem eine Meile entfernten Schwina hört, denn die hat der Abt, obgleich sie eigentlich nach Lehnin gehörten, einer Nahmitzerin, die er gewann, geschenkt.

Einst stellte er nun auch der Frau eines Nahmitzer Fischers nach, und kehrte, als der Mann auf den Fischfang gegangen war, in ihrem Hause ein; sie aber sah ihn kommen, und kroch, da sie gerade mit Brotbacken beschäftigt war, unter den Backtrog. Als nun der Abt in die Stube kommt, setzt er sich auf denselben, und da die kleine Tochter der Bäuerin, welche gegenwärtig war, dies sieht, läuft sie eilig hinaus zum Vater, ihm schon von ferne zurufend: »der Abbat sitzt auf der Mutter!« Dieser kehrt jetzt mit seinen Gefährten zum Dorfe zurück, der Abt sieht ihn kommen, flieht, steigt auf die Eiche und wird dort zur Strafe seiner Sünden von den Wenden erschlagen.

In der zum Theil noch erhaltenen, zum Theil in herrlichen Ruinen dastehenden Klosterkirche zu Lehnin befindet sich noch ein altes Gemälde auf Holz, welches darstellt, wie die grimmigen Wenden daherstürmen und den Abt Sebald erschlagen. Diese Begebenheit deuten auch die beiden letzten Verse der auf dem Gemälde befindlichen Inschrift an, die also lauten:

Hic jacet occisus prior abbas, cui paradisus
Jure patet, slavica quem stravit gens inimica.

Aus: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin: Reimer, 1843, e-book-Sammlung zeno.org

*Die ursprüngliche Schreibweise und Rechtschreibung wurden beibehalten.
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